Mit Crowdfunding zum eigenen Online-Marktplatz

Ein Erfahrungsbericht von Tobias Joos vom Verein Crowd Container:

«Ganz am Anfang stand ein Spaziergang. Er führte über ein Feld, das einer südindischen Kleinbauernfamilie gehörte. Fasziniert von der Vielfalt und der Qualität der Pflanzen, die dort wuchsen, kam ich auf eine verrückte Idee: Diese wunderbaren, lokalen Gewürze, Kokosnüsse und Reissorten direkt in die Schweiz zu liefern. Es sollte eine grosse Sammelbestellung werden, die in einem Container transportiert und durch Crowdfunding realisiert wird. «Crowd Container» schien mir daher ein passender Name für dieses Unterfangen.

Crowdfunding macht es möglich

Doch wie lässt sich so etwas umsetzen: Wie bekomme ich genügend interessierte Leute zusammenUnd wie überwinde ich die technischen Herausforderungen? Eine Antwort auf diese Frage erhielt ich im Impact Hub, einem Coworking Space in Zürich. Dort hatte eine Kollegin die zündende Idee: «Die Bestellungen für eure Päckli aus Kerala könnt ihr doch über die Schweizer Crowdfunding-Plattform wemakeit sammeln

Ich machte mich an die Arbeit.

Herausforderungen warten

Mit dem Umsetzungsplan auf dem Tisch fand sich schnell ein Team von engagierten Mitstreitern. Gemeinsam kreierten wir einen Kommunikationsplan, knüpften Kontakte und planten Events. Dann ging die Crowdfunding-Kampagne los! Die ersten zwei Wochen waren herausfordernd: Wir beackerten Familie, Freunde, Bekannte und Verwandte und hangelten uns so von einer Bestellung zur nächsten. In der dritten Woche kam der Durchbruch: Die kritische Masse war erreicht. Unser Projekt wurde in den wemakeit-Newsletter aufgenommen, was der Kampagne zusätzlichen Schub verlieh. Es folgte ein Radiobeitrag zum Projekt und zur Krönung ein Artikel im Tagesanzeiger. Die Kampagne zum Selbstläufer. Nach 30 Tagen hatten über 500 Konsumenten ein Päckli mit Lebensmitteln aus Kerala bestellt.

Die Produzenten freuten sich riesig über die grosse Bestellung. Jetzt galt es also ernst: Ich musste diesen Container tatsächlich in die Schweiz importieren.

Die Ankunft des ersten Containers wurde gebührend gefeiert.

Vier weitere wemakeit-Kampagnen und eine Enttäuschung

Es dauerte gut zwei Monate, bis der Container eintraf: Die Ankunft feierten wir mit einem rauschenden Fest auf der Hardturmbrache im Zürcher Industriequartier. Das Echo auf unser Projekt war so gross, dass wir uns schon bald überlegen mussten, wie es mit dem «Crowd Container» weitergehen soll. In der Überzeugung, dass direkter und transparenter Handel auch an anderen Orten der Welt ein Bedürfnis ist, lancierten wir wenige Monate später die nächste Sammelbestellung – diesmal mit Spaghetti, Tomatenpassata und Olivenöl aus Sizilien. Auch das zweite Crowdfunding war ein Erfolg. Doch als wir die dritte Runde in Angriff nehmen wollten, standen wir vor einer grossen Herausforderung.

Diesmal wiederholten wir die Crowdfunding-Kampagne aus Südindien. Der Neuheitswert hatte drastisch abgenommen. Viele Kunden hatten noch Gewürze von der ersten Bestellrunde im Regal, daher mussten wir neue Leute ansprechen. Bei der vierten Crowdfunding-Kampagne testeten wir den Verkauf von Einzelprodukten aus Sizilien. Diese gingen zwar weg wie frische Weggli, doch bei der Auslieferung litten wir unter der komplizierten Logistik, welche die Einzelbestellungen mit sich brachten. Deshalb suchten wir in der fünften Kampagne einen Weg, wie wir den Spezialitätenkaffee aus Peru den Unterstützern direkt nach Hause schicken können.

Eine eigene Online-Plattform entsteht

Nach fünf Kampagnen auf wemakeit hatten wir eine Menge Erfahrung im Gepäck. Insbesondere zwei Dinge haben wir dabei gelernt: Erstens wollen unsere Kunden die Produkte frei auswählen, zweitens brauchen wir eine solide Schnittstelle, die zur Auslieferung der Päckli dient. Nach fünf Kampagnen war es auch an der Zeit, einen weiteren Schritt zu wagen und eine eigene Online-Plattform zu lancieren. Unser Online-Marktplatz sollte Elemente des Crowdfunding mit jenen eines normalen Webshops verbinden – dabei handelt es sich um sogenanntes Crowd-Ordering.

Und nun ist es endlich so weit: Unser Online-Markts ist da! Neu können die Päckli ganz individuell zusammengestellt und in die ganze Schweiz geliefert werden. Abholstationen gibt es in Zürich und in Basel. Ohne die Erfahrungen, die wir auf wemakeit sammeln konnten, hätten wir das nie geschafft.»

Hier geht es zur aktuellen Sammelbestellung – mit der ganzen Vielfalt an Gewürzen, Reis, Cashews und Kokosnüssen, die unsere Partner in Kerala für uns anbauen: crowdcontainer.ch

Tobias Joos  ist Lebensmittelexperte und im Vorstand des Vereins Crowd Container. Er wurde von der Agrar-Vielfalt auf den Feldern im indischen Kerala inspiriert und hat Crowd Container ins Leben gerufen rufen.

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